RPG-Beiträge

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Laik seinen Rucksack packte und leise aus dem Diebeslager schlich. Dem Wind entgegen zog er sich seinen von Maden zerfressenen Schal vor Mund und Nase und senkte den Kopf ein wenig. Vor wenigen Tagen hatte es zum ersten Mal geschneit und bald würde das ganze Land von Schnee bedeckt sein. Sein grüner Blick wand sich zu den hohen Bergen, deren Spitzen von Wolken verdeckt wurden. Im Sommer würde er wieder über sie wandern. Im Winter jedoch war es zu gefährlich. Leicht zittrig rieb er seine beiden Hände gegeneinander, um sie zu wärmen. In diesem Jahr hatte der Winter früh Einzug in dieses Land gehalten.
Als der junge Dieb das Lager weit hinter sich gelassen hatte griff er in eine seiner vielen Gürteltaschen und holte ein Stück Brot heraus. Vorsichtig sah er sich um und als sicher war, dass ihn niemand sehen konnte, biss er genüsslich hinein. Gestohlenes Brot schmeckte doch immer noch am besten. Beim Weitergehen holte Laik noch einen Wasserbeutel hervor und spülte das restliche, trockene Brot damit hinunter.
Sein Weg führte ihn ziellos in das nächstgelegene Dorf. Es war klein, doch die Straßen waren heute besonders voll. Natürlich, es war Markttag. Behutsam tänzelte Laik sich durch die Menschenmasse und ließ seine geschickten Hände dabei in die ein oder andere Tasche gleiten und einige Gegenstände einsacken. Von getrockneten Beeren über Tinte bis hin zu Schmuck nahm er alles, was er nur bekommen konnte, bis seine eigenen mit Plunder gefüllten Taschen zu voll waren, um noch mehr zu beherbergen.

Seine Beute vor sich ausgebreitet betrachtete der Dieb sich alles und versuchte abzuschätzen, wie viel alles wohl wert war. Für drei Nächte in einer Taverne und ein großes Mahl sollte es reichen. Er stand auf, schob alles unter das kleine Bett des bezahlten Zimmers und ging wieder auf die Straßen, um noch mehr zu 'verdienen'.
Draußen hatten sich bereits dicke Gewitterwolken zugezogen und die meisten Marktbesucher in ihre Häuser gedrängt. Laik beschloss in der Nähe der Taverne zu bleiben um sofort hinein zu können, sollten die ersten Regentropfen vom Himmel fallen. Er hasste Gewitter! Je dunkler es wurde, desto unkonzentrierter und nervöser wurde er. Dennoch schaffte er es noch ein wenig Plunder zu stehlen, bis ihm ein Fehler unterlief. Als er nach einem großen Notizbuch griff streifte er dabei dessen Besitzer, welcher sich augenblicklich zu ihm umdrehte. Eine hagere Gestallt blickte ihn mit fast schwarzen Augen an und ließ ihn kurz erstarren.
"Mist…"
Schnell zog er das Buch aus der Tasche und rannte so schnell er nur konnte in Richtung Wald, um sich dort verschanzen zu können.

"Oh, Mist!"
Leicht panisch schlug Laik Hacken, als ihm plötzlich ein riesiger Hund an den Fersen heftete. Wie konnte er dieses Monster von Hund nur übersehen haben? Wahrscheinlich konnte das Tier ihn mit einem Haps hinunter schlucken und... Er schüttelte den Kopf. Solche Gedanken halfen nicht bei der Flucht!
Die Meter, die er an Vorsprung hatte, wurden mit nur wenigen Schritten des Hundes eingeholt. Glücklicherweiße war der kleine Dieb nicht zum ersten Mal auf der Flucht und so sprang er an den Ast eines hohen Baumes und kletterte in Windeseile ähnlich eines Eichhörnchens an der großen Linde hinauf, bis er in deren Krone saß und auf Hund und Besitzer hinab blicken konnte. Von hier oben wirkte das weiße Tier nur noch halb so bedrohlich und sein Besitzer nicht mehr ganz so verärgert. Laik war fast schon versucht durchzuatmen, als es stark zu regnen begannund über ihm die ersten Blitze den Himmel erhellten.
Von Angst erfüllt quieckte der Dieb auf und klammerte sich am Baum fest. Beim nächszen Blitz schloss er die Augen und gebann lautstark "Oh nein, ich will nicht sterben! Mach, dass es aufhört!" in den Wind zu wimmern. Nun ähnelte er nicht mehr dem flinken Eichhörnchen, sondern eher einer auf dem Baum festsitzenden Katze, die sich die Seele aus dem Leib maunzte.

Zu seinem Bedauern trat ersteres ein. Beim nächsten Blitz huschte Laik so schnell er nur konnte vom Baum hinunter, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rannte völlig von Panik gesteuert weiter in den Wald hinein. Er vergaß vollkommen, dass er eigentlich auf der Flucht vor dem Arzt war und auch, dass er noch immer dessen Buch bei sich trug. Alles was ihn in diesem Moment interessierte, war irgendwo Unterschlupf vor dem Gewitter zu finden und das bevor die ersten Blitze in der Umgebung einschlugen.
In seiner Angst sah der junge Dieb weder nach vorn noch nach hinten oder gar zu den Seiten, um sich irgendwie zu orientieren. Sein Blick klebte geradezu am Boden, der in immer kürzer werdenden Abständen erhellt wurde. Bei jedem weiteren Donnerschlag quiekte er erneut auf und schloss kurz die Augen, als würde dadurch das Gewitter von ihm gehen.
Erst als der große Hund ihn fast eingeholt hatte realisierte er seine Verfolger wieder. So wichtig war ihm dieses Buch nicht, dass er dafür auf sich nehmen würde, von einem großen Hund in der Luft zerrissen zu werden, aber wer bei einem Gewitter stehen blieb, der wurde vom Blitz getroffen. Es war also Selbstmord jetzt das Buch zurück zu geben. Mit diesem Gedanken im Kopf übersah er einen steilen Vorsprung und rannte über diesen hinaus. Im Fall versuchte er noch nach Wurzeln und Steinen zu greifen, konnte seinen Sturz dadurch jedoch nur leicht abfangen, da alles zu nass und rutschig war um richtigen Halt zu finden.

Das erste was Laik wahrnahm, als er wieder zu sich kam, war ein stechender Schmerz in seinem rechten Handgelenk. Desorientiert öffnete er seine Augen und starrte in den dunklen Wolkenhimmel. Alles um ihn herum drehte sich. Ihm war schlecht, sein Kopf schmerzte und als er versuchte seine Hand zu bewegen schmerzte es so stark, dass es leicht aufjaulte. Kraftlos drehte er den Kopf zur Seite und besah sich seiner Umgebung. Er hatte Glück gehabt. Gras und kleine Büsche und Sträucher waren sein Untergrund, während nur wenige Meter von ihm ein umgefallener Baum lag. Wäre er auf diesem gelandet, würde er nun nicht mehr seine Schmerzen verfluchen. Den Kopf zur anderen Seite gedreht bemerkte er erst jetzt, dass sein Verfolger und dessen Hund ihn eingeholt hatten.
"Mist..."

"Nein, nein. Das sind eindeutig Hexensymbole. Ich kenn mich ein bisschen damit aus. Hab schon einige gesehen." erwiderte der Dieb augenblicklich.
"Keine Sorge, ich werde dich nicht verraten, versprochen. Dafür habe ich viel zu großen Respekt vor euch Hexen. Ihr seid ja soooo toll! ~♪" plapperte Laik fröhlich weiter vor sich hin. Ob sein Gesprächspartner Lust hatte ihm zuzuhören interessierte ihn dabei recht wenig.
"Weißt du, letztens bin ich mal einer begegnet und die war vielleicht stark. Ich weiß nicht genau, was sie gemacht hat, aber kaum hatte ich sie auf ihr Wesen angesprochen ist mir schwarz vor Augen geworden. Als ich wieder wach wurde war sie weg. Schade eigentlich. Aber sie hat mir ein Andenken da gelassen." Beim letzten Satz zog er den Ärmel seines linken Armes hinauf und zeigte dem Arzt ein Hexenmal. Dabei sagte er "Keine Ahnung, was das bedeutet. Kannst du es für mich entziffern? Bitte?" und drückte seinen Arm Malec geradezu unter die Nase, damit dieser sich besagtes Zeichen gut ansehen konnte.

Kaum hate der Arzt ihn zum Folgen augefordert klebte Laik geradezu an seinen Fersen und ließ sich nicht einmal einen halben Meter zurück fallen. Er zitterte leicht vor Aufregung und Freude - vielleicht auch noch ein wenig von den Schmerzen - und wollte gerade zum Reden ansetzten, als Malec ihm den Mund verbot.
Mit einem leisen Seufzer stimmte er zu, zu schweigen. Es fiel ihm schwer nichts zu sagen. Kein 'danke', einfach nichts kam über seine Lippen, auch nicht, als die Hexe andeutete ihm seine Hand abhacken zu wollen. Innerlich quieckte der junge Dieb auf und blieb kurz stehen, um davon zu rennen, schüttelte sich aber selbst schnell durch und fasste sich wieder. So eine Gelegenheit konnte und wollte er sich einfach nicht entgehen lassen. Hexen faszinierten ihn seit er klein war und nun wurde er tatsächlich von einer eingeladen mit zu kommen. Und nicht nur das, die Hexe wollte sich sogar um sein schmerzendes Handgelenk kümmern. Um ihn kümmern. Vielleicht würde der Mann ihn sogar in der Hexenkunst unterrichten und als Lehrling aufnehmen.
Laik machte bei dem Gedanken einen kleinen Luftsprung, um seiner Freude Platz zu machen, und holte flink den kleinen Abstand wieder ein. Dabei achtete er darauf, dem großen Hund nicht zu nahe zu kommen. Man wusste ja nie.
Wieder im Dorf angekommen ließ er sich etwas zurück fallen, um nicht auf zu fallen. Zwei Männer, die durch den Regen liefen und dabei aneinander klebten waren kein typisches Bild. Er tat geradezu so, als würde er Malec nicht kennen, als kämen sie beide ganz zufällig aus dem Wald und würden ebenso zufällig in die selbe Richtung laufen. Dabei sah er leicht zur seite, hob den Kopf ein wenig und begann zu stolziren. Dieses Bild war nicht weniger verstörend, als zwei kuschelnde Männer...

Laik betrachtete sich alles so genau, wie er nur konnte, als sie im Hexenhaus ankamen. Die wand, die Decke, die Möbel, alles besah er sich, als wäre es fremd und neuartig. Schließlich war es nicht die Einrichtung eines Menschen, sondern einer Hexe. Nichts wirkte wirklich auffällig, aber dennoch glaubte der Dieb überall etwas zu bemerken, dass bestimmt mit Magie versehen war. So wie der Tisch, oder eine der Tassen, die er auf der Kochplatte entdeckte.
Als Malec ihn aufforderte sich zu setzten und zu erzählen, ließ er sich locker auf einen Stuhl plumsen, wobei das alte Holz bedenklich knarzte. Kurz üerlegte Lai, ob er sich einen anderen Stuhl nehmen sollte, verwarf den Gedanken dann jedoch und begann zu erzählen.
"Die andere Hexe, war nicht die erste Hexe, die ich getroffen habe. Die erste Hexe hat mir das Leben gerettet, als ich noch ein Kind war. Das war ein Mann gewesen, uralt und kahl auf seinem Kopf. Ich war im Wald, um Pilze zu sammeln - meine Familie war ziemlich arm und wir konnten nur selten was auf dem Markt kaufen - als ich von einem Wolf angegriffen wurde. Er hat mich angefallen, sich in meinem Bauch verbissen und mich fast gefressen. Und plötzlich jaulte er auf und rannte davon. Und der alte Mann stand neben mir und eigentlich kann ich mich an nicht sehr viel mehr erinnern, aber ich weiß, dass er eine Hexe war. Ich weiß nur nicht mehr, warum ich es weiß. Auf jeden Fall war die letzte Hexe, die ich getroffen habe eine Frau. Blond, klein, eigentlich ganz nett. Sie hatte auch so ein Buch, wie du, und sie hat damit im Wald auf einer Lichtung gesessen und darin gelesen." plapperte Laik fröhlich vor sich hin und holte dabei nicht einmal wirklich Luft. "Und als ich ihr so über die Schulter gesehen habe, da - danke."
Er nahm die Tasse Tee, die sein Gastgeber ihm vor die Nase gestellt hatte und nippte daran. Vorsichtig nahm er einen Schluck, um sich nicht zu verbrennen, dann noch einen, dann kippte er den Rest schnell hinunter. Heißen Tee bekam er nur selten. Er war lecker und nichts, das man stehen ließ, bis es kalt wurde.
"Naja, dann sprang sie auf und... und... hat mich angesehen und... dann hat sie... äh..." setzte Laik an und stutzte vor sich hin. Es fiel ihm plötzlich unglaublich schwer noch einen klaren Gedanken zu fassen. Er fühlte, wie alle Kraft aus seinem Körper wich, wie es langsam angenehm warm um ihn herum und wie ihm alles gleich wurde.
"Sie hat mich..."
Noch bevor er ein Wort mehr sagen konnte schlug sein Kopf ungebremmst auf der Tischplatte auf und er schlief ein.

Als Laik geraume Zeit später erwachte fühlte er sich noch ganz matt und niedergerafft. Sein Gesicht tat weh, so als habe ihn jemand geschlagen, und er hatte Hunger. Langsam öffnete er seine Augen und sah sich um. Eine schwere, warme Decke lag auf ihm und drückte ihn in ein gemütliches Bett, neben welchem ein kleines Schränkchen stand.
"Mist..." murmelte er und erhob sich langsam. Dabei kamen ihm die Erinnerungen wieder. Er war im Wald auf eine Hexe getroffen. Und nun war er im Haus dieser Hexe, oder? Er konnte sich nicht daran erinnern, ins Bett gegangen zu sein. Er wusste nur noch, wie er einen Tee bekommen hatte, danach war Schluss.
Der jungte Dieb gähnte ausgiebig und sprang aus dem Bett. Sofort fröstelte es ihm am ganzen Körper, woraufhin er an sich hinab sah. Er war nackt. Splitterfaser nackt! Augenblicklich sprang er zurück ins Bett und warf sich die große Decke über.
"Warum bin ich nackt?"

***

Langsam, fast schön genüsslich, rammte der große Schatten dem Mann den Dolch durch die Brust und durchstach das schlagende Herz. Seine gelben Augen funkelten begeistert im Mondlicht, als das Leben aus seinem Gegenüber wich und der Körper reglos zu Boden sackte. Er zog den Dolch aus dem Fleisch, nahm den kleinen Käfig und wischte die Klinge an der Kleidung des Toten ab. Zu schade, dass dieser kein Fell hatte.
Ariel steckte seine Waffe weg und entfernte sich vom Kampfplatz. Seine Füße trugen ihm immer schneller über den Waldboden, bis er endlich das kleine Lagerfeuer zwischen den Bäumen entdeckte und vor diesem stehen blieb.
"Chrysantha?" Seine Augen suchten unsicher den Platz ab, fanden aber nicht das kleine Mädchen, nach dem sie Ausschau hielten. Er stellte den Käfig ab und rief erneut. "Chrysantha, Daddy hat dir was Schönes mitgebracht."
Augenblicklich huschte seine kleine Tochter mit einem lauten "Buh!" aus einem Busch hervor und sprang ihm um den Hals.
"Was ist es?" fragte sie aufgeregt.
"Ich weiß es nicht."
Ariel zuckte unwissend mit den Schultern und nahm sie auf den Arm, um ihr in die blauen Augen sehen zu können. Dabei machte er mit dem Kopf einen Wink in Richtung des kleinen Käfigs, der neben dem Lagerfeuer stand. Chrysantha folgte mit ihrem Blick seinem Deut und seufzte erstaunt auf. Dabei ließ ihr Vater sie hinunter, damit sie zum Käfig rennen konnte.
"Ein Kaninchen!"
Sofort nahm sie das kleine Tier aus dem Käfig und streichelte es liebevoll.
"Gefällt es dir?"
"Ja."
Der Vampir setzte sich und strich ihr sacht durchs Haar. Dabei sah er in den Nachthimmel hinauf. Im Osten konnte er bereits die ersten Sonnenstrahlen erkennen. Der Himmel tauchte langsam in ein warmes Orange, das allmählich das ganze Land flutete. Er liebte Sonnenaufgänge. Nur in ihnen konnte er die Sonne noch sehen. Er stellte sich gerne vor, dass er einfach stehen bleiben würde, dass er nicht vor dem aggressiven Licht fliehen, sondern es auf seine Haut treffen lassen würde und dass er keine Schmerzen hätte, sondern, dass es einfach nur warm war. So wie damals. Aber so würde es nie wieder sein.
"Wir müssen weiter, Liebling..."

Schwer atmend drückte der Vampir sich an die kalte Steinwand der Höhle. Sein ganzer Körper zitterte vor Anstrengung und Schmerz. Er sah auf die tiefe Wunde in seinem Oberarm und drückte sie zu. Das noch leicht warme Blut seines letzten Opfers quoll aus ihm und kühlte so den ohnehin kalten Körper aus. Der Geruch seines eigenen Blutes machte ihn hungrig und unaufmerksam. Er hörte nicht, wie nahe seine Verfolger ihm bereits waren, bis einer ihn zu Boden riss und seine langen Krallen in Ariels Brust bohrte. Beide wussten, dass er daran nicht sterben würde und beide wussten, dass es nur der Qual diente, ihn aufzuspießen. Schmerzverzehrt fauchend versuchte der Blonde sich aus dem festen Griff zu befreien und nach seinem Dolch zu greifen, schaffte es aber nicht. Das Werwolfsblut begann langsam seine Wirkung zu zeigen. Jede noch so kleine Bewegung fiel ihm schwer, sein ganzer Körper wurde langsam taub, das Stechen in der Brust langsam nur noch zu einem leichten Zwicken.
Oh, wie er diese Köter doch hasste!
Der zweite Wolf kam hinzu, hielt ihn, um auch die letzten Wehrungen zu unterbinden.
"Du hättest dich nicht mit uns anlegen gesollt, Blutsauber." knurrte er selbstgefällig, während er seine Krallen an den Schädel des Vampirs legte und langsam begann zuzudrücken. Ariel schrie auf, als sein Schädel leicht knackte.
Eine weitere Person näherte sich den Dreien und er hoffte inständig, dass es nicht noch ein Werwolf war.